Rechtsprechung: Sanierung einer Scheune im Nichtbaugebiet (20.06.2018)

Im Urteil 1C_171/2017 vom 3. Oktober 2017 hatte sich das Bundesgericht mit der Sanierung einer Scheune zu befassen und konnte sich allgemein zum Prinzip der Trennung des Baugebietes vom Nichtbaugebiet äussern. Dem Entscheid liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eigentümer eines ehemaligen Bauernhauses in der Landwirtschaftszone in der Gemeinde Einsiedeln vereinbarte mit ihrem Nachbar (und dem späteren Eigentümer der Liegenschaft), dass dieser die Sanierung der baufälligen Scheune und ihren Ausbau zur Nutzung zu Wohnzwecken gegen ein Nutzungsrecht finanziere. Die kommunale Bauverwaltung sellte am Augenschein vom 19. Oktober 1984 entsprechende bauliche Veränderungen fest, namentlich wurde das Erdgeschoss der Scheune erneuert und es wurden darin diverse Leitungen eingeführt. Daraufhin verfügte der Bezirksrat Einsiedeln die Baueinstellung. In der Folge ersuchten die Eigentümer das Bauamt Einsiedeln nachträglich um Bewilligung für den Wiederaufbau der Scheune. Mit Verfügung vom 7. Februar 1985 erteilte das Justizdepartement des Kantons Schwyz die entsprechende Baubewilligung unter den Auflagen, dass die Scheune nur landwirtschaftlich genutzt werden darf und im Inneren keine sanitären Einrichtungen (Wasseranschlüsse) erstellt werden dürfen. Gestützt darauf bewilligte auch der Bezirksrat Einsiedeln den Wiederaufbau der Scheune und hob am gleichen Tag den verhängten Baustopp wieder auf. In der Folge wurde die Scheune bewilligungskonform saniert und nicht zu Wohnzwecken ausgebaut. Danach wurden jedoch in der Scheune entgegen den Auflagen in dieser Baubewilligung eine Dusche, eine Sauna und eine Heizung eingebaut. Diese Installationen wurden vom Nachbar finanziert, der das Grundstück in der Folge auch erwarb. Nach entsprechender behördlicher Aufforderung ersuchte der neue Eigentümer am 2. März 2015 die Baubehörde Einsiedeln darum, die Nutzung der Scheune zu Wohnzwecken und darin den Einbau der bereits erfolgten Installationen nachträglich zu bewilligen. Die nachträgliche Baubewilligung wurde verweigert; zudem wurde unter Strafandrohung der Rückbau verfügt. Nachdem sich der Eigentümer erfolglos vor den kantonalen Instanzen gewehrt hatte, gelangte er ans Bundesgericht, welches folgendes in Erwägung gezogen hat:

Gemäss Art. 24c RPG werden bestimmungsgemäss nutzbare Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen, die nicht mehr zonenkonform sind, in ihrem Bestand grundsätzlich geschützt (Abs. 1). Solche Bauten und Anlagen können mit Bewilligung der zuständigen Behörde erneuert, teilweise geändert, massvoll erweitert oder wiederaufgebaut werden, sofern sie rechtmässig erstellt oder geändert worden sind (Abs. 2). Dies gilt auch für landwirtschaftliche Wohnbauten sowie angebaute Ökonomiebauten, die rechtmässig erstellt oder geändert worden sind, bevor das betreffende Grundstück Bestandteil des Nichtbaugebietes im Sinne des Bundesrechts wurde (Abs. 3). Die Voraussetzung der teilweisen Änderungen im Sinne von Art. 24c Abs. 2 RPG hat der Bundesrat in der Raumplanungsverordnung (RPV) konkretisiert. Er hat dabei vorgesehen, dass eine Änderung als teilweise gilt, wenn die Identität der Baute oder Anlage einschliesslich ihrer Umgebung in den wesentlichen Zügen gewahrt bleibt (Art. 42 Abs. 1 RPV). Ob die Identität der Baute oder Anlage im Wesentlichen gewahrt bleibt, ist unter Würdigung der gesamten Umstände zu beurteilen (Art. 42 Abs. 3 RPV). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss die Wesensgleichheit der Baute hinsichtlich Umfang, äusserer Erscheinung sowie Zweckbestimmung gewahrt werden und es dürfen keine wesentlichen neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, Erschliessung und Umwelt geschaffen werden (BGE 127 II 215). Im vorliegenden Fall erwog das Bundesgericht, dass die vorliegend strittigen baulichen Änderungen an der Scheune zu einer Änderung ihrer Identität und nicht bloss zu einer teilweisen Änderung im Sinne von Art. 24c RPG führte, weil durch die Installation einer Heizung und sanitärer Einrichtungen eine andere Nutzung ermöglicht wird. Ferner habe die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie die Scheune, die zu einem ehemaligen Bauernhaus eine Distanz von etwa 14 m aufweist, als eigenständiges Gebäude und nicht als Teil dieses Hauses betrachtete und daher insoweit die Anwendung von Art. 24c Abs. 2 RPG ausschloss.

Strittig war schliesslich der Anspruch der Behörden auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands (d.h. auf Rückbau der bewilligungswidrigen Installationen). Diese verwirkt gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung grundsätzlich 30 Jahre nach dem Bauabschluss (BGE 136 II 359). Kürzere Verwirkungsfristen können sich aus Gründen des Vertrauensschutzes ergeben (BGE 136 II 359, BGE 132 II 21). Ein solcher Schutz kann zum Tragen kommen, wenn die Behörden den baurechtswidrigen Zustand über Jahre hinaus duldeten, obwohl ihnen die Gesetzwidrigkeit bekannt war oder sie diese bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätten kennen müssen. Daraus kann jedoch nur ein berechtigtes Vertrauen ableiten, wer in guten Glauben annahm und unter Anwendung zumutbarer Sorgfalt annehmen durfte, die von ihm ausgeübte Nutzung sei rechtmässig bzw. stehe mit der Baubewilligung in Einklang (BGE 136 II 359).  

Der Beschwerdeführer wendet ein, gemäss dem von der Vorinstanz genannten Urteil des Bundesgerichts werde der böse Glaube des Rechtsvorgängers dem Rechtsnachfolger nur soweit angerechnet, als sich dieser sich auf Bewilligungen oder Zusicherungen berufe, die gegenüber dem Rechtsvorgänger erteilt wurden. Der böse Glaube der Verkäufer der Bauparzelle könne dem Beschwerdeführer daher nicht angerechnet werden, weil er sich nicht auf die ihnen erteilte Baubewilligung berufe. Die Vorinstanz habe daher die Verwirkung des staatlichen Anspruchs auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands nicht mit dem Hinweis auf die Bösgläubigkeit seiner Rechtsvorgänger verneinen dürfen. Gemäss der angerufenen Rechtsprechung des Bundesgerichts erhält der Käufer eines Grundstücks als Rechtsnachfolger des Verkäufers grundsätzlich dessen Rechtsschutzmöglichkeiten. Der Käufer kann sich daher (vorbehältlich nachträglicher Änderungen der Rechts- und Sachlage) gegen die Pflicht, eine widerrechtliche Baute abzubrechen, im gleichen Umfang wehren, wie dies der Verkäufer konnte. Der Käufer kann sich somit auf Zusicherungen der Behörde oder andere Vertrauenstatbestände berufen, die dem Verkäufer gegenüber erteilt bzw. geschaffen wurden, der Käufer muss sich aber dessen bösen Glauben anrechnen lassen (Urteil 1C_533/2015). Demnach hat sich der Käufer als Rechtsnachfolger des Verkäufers dessen bösen Glauben auch dann anrechnen zu lassen, wenn die Behörden diesem gegenüber keine Bewilligungen erteilt oder Vertrauenstatbestände geschaffen haben. Andernfalls könnte ein Grundeigentümer den Fortbestand eines ohne Baubewilligung geschaffenen gesetzwidrigen baulichen Zustands erreichen, indem er seine Baute auf einen Dritten überträgt und dabei das Fehlen einer Baubewilligung verschweigt (BGE 101 Ib 313). Der Beschwerdeführer muss sich daher den bösen Glauben der Verkäufer auch dann anrechnen lassen, wenn er sich nicht auf die ihnen zur Sanierung der Scheune erteilte Baubewilligung beruft, die in den Auflagen die Wohnnutzung und die Installation sanitärer Einrichtungen ausdrücklich ausschloss. Das entsprechende Wissen der Verkäufer wird dem Beschwerdeführer als Käufer aufgrund seines Eintritts in die Rechtsstellung der Verkäufer angerechnet. Nach dem Gesagten muss sich der Beschwerdeführer das Wissen der Verkäufer, dass die strittigen Installationen in der Scheune bzw. ihre Nutzung zu Wohnzwecken den Auflagen in der ihnen erteilten Baubewilligung widersprechen und damit widerrechtlich waren, anrechnen lassen. Er kann daher insoweit nicht als gutgläubig gelten. Damit war er nicht berechtigt, gestützt auf das Vertrauensprinzip eine Verkürzung der dreissigjährigen Verwirkungsfrist geltend zu machen.

Schliesslich prüfte das Bundesgericht, ob der Rückbau das Verhältnismässigkeitsprinzip verletzt. Die Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands kann unverhältnismässig sein, wenn die Abweichung vom Erlaubten nur unbedeutend ist oder die Wiederherstellung nicht im öffentlichen Interesse liegt, ebenso, wenn der Bauherr in gutem Glauben angenommen hat, die von ihm ausgeübte Nutzung stehe mit der Baubewilligung im Einklang, und ihre Fortsetzung nicht schwerwiegenden öffentlichen Interessen widerspricht. Auf den Grundsatz der Verhältnismässigkeit kann sich auch ein Bauherr berufen, der nicht gutgläubig gehandelt hat. Er muss aber in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen, nämlich zum Schutz der Rechtsgleichheit und der baulichen Ordnung, dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen und die dem Bauherrn allenfalls erwachsenden Nachteile nicht oder nur in verringertem Masse berücksichtigen (BGE 132 II 21). Da der Beschwerdeführer nicht als gutgläubig gelten kann, muss er in Kauf nehmen, dass die Behörden aus grundsätzlichen Erwägungen dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmässigen Zustands erhöhtes Gewicht beimessen und die ihm erwachsenden Nachteile nur in verringertem Masse berücksichtigen. Zudem erlauben die rückzubauenden sanitären Einrichtungen und die Heizung, die Scheune zu nicht landwirtschaftlichen Wohnzwecken zu nutzen, was dem Prinzip der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet widerspricht. Das öffentliche Interesse an der Wahrung dieses grundlegenden Prinzips ist nach der Rechtsprechung sehr gewichtig (BGE 132 II 21). Demnach ist die vorliegende Abweichung vom Gesetz als nicht mehr geringfügig zu qualifizieren. Unter diesen Umständen nahm die Vorinstanz bundesrechtskonform an, das öffentliche Interesse an der Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands überwiege gegenüber den entgegenstehenden privaten Interessen des Beschwerdeführers. Die Rüge der Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips ist somit unbegründet, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.

Kommentar: Mit diesem Entscheid hat das Bundesgericht einmal mehr dem Prinzip der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet hohes Gewicht beigemessen und dieses auch im vorliegenden Fall höher gewertet als den Nachteil des Grundeigentümers, den er aufgrund der verlangten Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustandes erleidet. Bereits die 30-jährige Verwirkungsfrist bedeutet für Grundeigentümer, die nicht bewilligungskonforme Bauten erstellten, eine lange Unsicherheit, ob deren baulichen Massnahmen auch in langer Zukunft Bestand haben werden. Namentlich wenn der Bauherr bösgläubig ist (also mit Wissen und Willen gegen die ihm bekannte Baubewilligung und die dortigen Auflagen handelt), vermögen der Schutz der Rechtsgleichheit und der baulichen Ordnung die entgegenstehenden Interessen eines Grundeigentümers zu überwiegen. Weil sich ein etwaiger Rechtsnachfolger auch den bösen Glauben des früheren Eigentümers und Bauherrs anrechnen lassen muss, sei Käufern von Grundeigentum geraten, sich vor Abschluss des Kaufgeschäftes über die Rechtsmässigkeit von Umbauten aufklären zu lassen, andernfalls sie mit einschneidenden behördlichen Anordnungen (Rückbau) rechnen müssen, insbesondere dann, wenn sich das Gundstück im Nichtbaugebiet befindet.