Rechtsprechung: Kündigung der Miete und Empfangstheorie (04.04.2017)

Im Urteil 4A_293/2016 vom 13. Dezember 2016 hatte sich das Bundesgericht einmal mehr mit dem Empfang einer Kündigung eines Mietverhältnisses zu befassen. Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Vermieter kündigte am 29. November 2013 formgerecht das Mietverhältnis. Aufgrund einer Ferienabwesenheit konnten die Mieter die Kündigung nicht entgegennehmen, weshalb ihnen am 2. Dezember 2013 eine Abholeinladung in den Briefkasten gelegt wurde. Die Mieter kamen am 9. Dezember 2013, am letzten Tag der Abholfrist, aus dem Urlaub zurück, entdeckten die Abholeinladung, allerdings zu einem Zeitpunkt, nachdem die Poststelle bereits geschlossen war. Am 23. Januar 2014 stellte der Vermieter, dieses Mal mit einfachem Schreiben, den Mietern eine Kopie des Kündigungsschreibens vom 29. November 2013 zu. Gleichzeitig zeigte der Vermieter an, dass die Kündigung am letzten Tag der Abholfrist als zugestellt gelte und demnach uneingeschränkte Wirksamkeit entfalte. Die Mieter fochten die Kündigung am 7. Februar 2014 an. Zu prüfen war insbesondere, ob das Anfechtungsbegehren der Mieter rechtzeitig, mithin innert der 30-tägigen Frist gemäss Art. 273 Abs. 1 OR, erfolgte.

Das Bundesgericht rief die bisherige Rechtsprechung in Erinnerung, wonach bei einer mietrechtlichen Kündigung die absolute Empfangstheorie gelte (vgl. statt vieler BGE 140 III 244, BGE 137 III 208). Dabei werde die Frist mit dem Eintreffen der Kündigung im Machtbereich des Empfängers ausgelöst. Bei einer eingeschriebenen Sendung gelte bei Hinterlassen einer Abholeinladung, dass diese als zugegangen gilt, sobald der Empfänger gemäss Abholeinladung davon Kenntnis nehmen konnte. Das Bundesgericht bestätigte sodann, dass es sich dabei um denselben Tag handle, an dem die Abholeinladung im Briefkasten des Empfängers hinterlegt wurde, wenn von ihm erwartet werden könne, dass er die Sendung sofort abholt, spätestens jedoch am darauf folgenden Tag. In Anwendung dieser Rechtsprechung entschied das Bundesgericht, dass vorliegend die Kündigung am 3. Dezember 2013 gültig bei den Mietern eingegangen sei, weshalb deren Begehren um Anfechung der Kündigung vom 7. Februar 2014 als verspätet zu gelten hat.

Kommentar: Mit diesem Urteil bestätigte das Bundesgericht die strikte Geltung der absoluten Empfangstheorie im Zusammenhang mit dem Empfang der Kündigung eines Mietverhältnisses. Mit dem Festhalten an der absoluten Empfangstheorie im Mietrecht bekräftigt das Bundesgericht, dass die verfahrensrechtliche Zustellfiktion (Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO sieht vor, dass eine eingeschriebene Postsendung erst am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellversuch als zugestellt gilt) für das materielle Recht keine Gültigkeit hat. Auch wenn der Entscheid im Einzelfall unbillig erscheinen mag, so dient die strikte Rechtsprechung der Rechtssicherheit und wirkt missbräuchlichen Verweigerungen der Entgegennahme von Sendungen entgegen. Das Bundesgericht betont in seinen Erwägungen denn auch, dass den divergierenden Interessen der Parteien mit der Anwendung der (strengen) absoluten Empfangstheorie am besten gerecht werde.