Rechtsprechung: Auflösungsentscheid infolge Organisationsmangels ist unwiderrufbar (18.09.2015)

Falls einer Gesellschaft eines der vorgeschriebenen Organe (z.B. Revisionsstelle oder Verwaltungsrat) fehlt oder eines dieser Organe nicht rechtmässig zusammengesetzt ist, so liegt ein Organisationsmangel i.S.v. Art. 731b OR vor.  Bei Vorliegen eines Organisationsmangels können Aktionäre, Gläubiger oder der Handelsregisterführer beim Richter beantragen, die erforderlichen Massnahmen zu ergreifen, insbesondere die Gesellschaft aufzufordern, den rechtmässigen Zustand wieder herzustellen, das fehlende Organ zu ersetzen oder - als ultima ratio - die Gesellschaft aufzulösen und konkursrechtlich zu liquidieren (Art. 731b Abs. 1 Ziff. 1-3 OR). In der Praxis wird die Gesellschaft, deren Organisation im genannten Sinne mangelhaft ist, vom Handelsregisteramt eine Frist zur Behebung des Organisationsmangels angesetzt. Sofern die Gesellschaft untätig bleibt, ruft der Handelsregisterführer den Richter an.

Im Entscheid BGE 141 III 43 vom 19. Januar 2015 hatte das Bundesgericht zu beurteilen, ob ein gestützt auf Art. 731b Abs. 1 OR ergangener richterlicher Auflösungsentscheid (infolge fehlender Revisionsstelle) bei nachträglicher Behebung des Organisationsmangels gestützt auf eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG widerrufen werden könne. Gemäss Art. 195 Abs. 1 Ziff. 1 SchKG ist ein Konkurs zu widerrufen, wenn nachgewiesen wird, dass sämtliche Forderungen getilgt sind. Das Bundesgericht prüfte nun, ob die Voraussetzungen einer Analogie des konkursrechtlichen Widerrufes auf den Auflösungsentscheid wegen eines Organisationsmangels erfüllt sind.

Prämisse einer analogen Anwendung sei das Vorliegen einer Gesetzeslücke. Die Zivilprozessordnung sehe indes vor, dass Entscheide in Rechtskraft erwachsen und damit unwiderrufbar werden. Dasselbe gelte auch für gestützt auf Art. 731b OR ergangene Auflösungsentscheide, weshalb keine Gesetzeslücke und deshalb kein Raum für eine analoge Anwendung von Art. 195 SchKG bestehe. Ein Auflösungsentscheid könne daher trotz einer nachträglichen Behebung des Organisationsmangels nicht gestützt auf eine analoge Anwendung der Regeln über den konkursrechtlichen Widerruf umgestossen werden. Im Ergebnis teilte das Bundesgericht damit die in der Lehre vorherrschende Ansicht, dass eine Anwendung von Art. 195 SchKG nicht zum Tragen kommen kann, weil bei Vorliegen eines Organisationsmangels die Durchführung des Konkursverfahrens nicht auf einem Konkurs beruht, sondern auf einem richterlichen Auflösungsentscheid. Eine Konkurseröffnung durch ein Konkursgericht, welche widerrufen werden könne, hat im Organisationsmängelverfahren gar nie stattgefunden.

Kommentar: Dieser Entscheid erinnert daran, dass Organisationsmängel einschneidende Folgen bis hin zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft haben können. Eine Aufforderung des Handelsregisterführers zur Behebung eines Organisationsmangels ist deshalb nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Eine fristgerechte Beseitigung des Organisationsmangels ist deshalb äusserst ratsam. Denn ein richterlicher Auflösungsentscheid als Folge einer Meldung des Handelsregisterführers kann nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung nicht rückgängig gemacht werden, selbst wenn im Nachhinein der Organsationsmangel behoben wird. Der in der Praxis häufigste Organisationsmangel ist das Fehlen einer Revisionsstelle, obwohl die Gesellschaft nicht i.S.v. Art. 727a Abs. 2 OR auf eine Revision verzichtete. Diesfalls kann der Mangel in der Organisation mit der Wahl einer Revisionsstelle behoben werden oder aber - falls die gesetzlichen Anforderungen hierfür erfüllt sind - mittels Verzicht auf eine Revisonsstelle (was die Zustimmung sämtlicher Aktionäre voraussetzt).